One Last Dance Singapur 2005
Singapur. T (Francis Ng) ist ein stiller, zurückgezogener Mann. Er arbeitet hier als Auftragskiller. Den Sonntag nimmt er sich frei. Dann spielt er mit dem örtlichen Polizeicaptain (Ti Lung) Schach. In roten Geschenkpäckchen (normalerweise zum Chinese New Year verteilt), die man ihm in den Briefkasten wirft, bekommt er die Namen seiner Opfer. Jetzt soll er die Kidnapper des Sohnes eines angesehenen Gangsters aufspüren. Leider scheint die halbe Unterwelt Singapurs etwas damit zu tun zu haben. Die Italiener, angeführt von Harvey Keitel vielleicht? Vielleicht auch T selbst. Oder seine kriminellen Freunde Arthur und der leicht irre Kou, in dessen Schwester Mae (Vivian Hsu) T sich verliebt. Dann gibt’s da noch einen gelben Koffer, hinter dem alle her sind. Was ist drin? T weiß es nicht. Ich weiß es auch nicht. Hat eigentlich irgendwer eine Ahnung, was hier abgeht?
(Francis Ng ist einfach geil. Er sähe vermutlich auch beim Scheißen noch cool wie Sau aus.)
Max Makowski’s (welcher übrigens aus Brasilien stammt) One Last Dance ist locker mal einer der verwirrendsten Filme, die ich in den letzten 2 Jahren gesehen habe. Und ich sag’ es direkt: Wer sich diesen Film anschaut und mir am Ende klipp und klar sagen kann, was passiert ist und wer wo seine Finger mit im Spiel hatte, heißt entweder Max Makowski oder hat einen IQ jenseits von 150.
An Unterhaltungswert verliert der Film allerdings dadurch nicht, ganz im Gegenteil. Schon in der ersten Szene lugen die ersten humoristischen Elemente hervor, die sich durch zwei Drittel des Films ziehen werden und dem Ganzen eine gewisse Guy Ritchie-Note geben. Geglückt sind diese Passagen nicht immer – Makowski meint es eigentlich gut damit, will seinem Werk damit etwas von seiner schweren Plotlast nehmen, aber lässt sich dann leider hier und da auf ein Niveau herab, welches mit “Hundefurzjokes” wohl am treffendsten umschrieben wäre. Könnte man akzeptieren, wenn es dann nicht in der nächsten Szene plötzlich um Kant ginge. Diese ständige Schwankungen nehmen One Last Dance etwas von seinem Impact.
Glücklicherweise übertreibt Makowski es nicht völlig. Im Kern ist One Last Dance immer noch ein intelligenter, eleganter Krimithriller, der durch die Präsenz von Francis Ng (wirklich fantatisch, eine seiner besten Rollen und Grund allein, sich diesen Film anzuschauen) sowie Gastauftritte von Ti Lung (!) und Harvey Keitel (!!) ein Prestige erhält, das alles andere als alltäglich ist.
(Das im Hintergrund, das ist Kou’s Kumpel. Zusammen mit Kou der offizielle Repräsentant Jar Jar Binks’ in Singapur.)
Komplementiert werden diese Auftritte durch die richtig gute Musik John Swiharts (Inkl. kantonesischem Titelsong) und vor allem durch die edlen, sorgfältig komponierten Bilder, welche problemlos Milkyway-Niveau erreichen. Dazu virtuoser Schnitt sowie unübliche Szenenübergänge. Getrübt wird dieser hervorragende Eindruck nur durch das gewöhnungsbedürftige, beinahe comicartige CGI-Blut. Doch da echte Actionszenen ohnehin kaum vorhanden sind, lässt sich darüber hinwegsehen.
Ja, und dann gibt es eben noch den angesprochenen Plot. Auf einem alternativen Poster des Films heißt es: Every piece tells a different story. Bei One Last Dance kein hohler Spruch, sondern Fakt. Makowski konstruiert seinen Film wie ein Puzzle, rückt nach und nach neue Stücke aus – aber wie diese ineinanderpassen, muss man selbst herausfinden. Tatsächliche Erklärungen für die Geschehnisse werden völlig ausgelassen. Einerseits ist das eine wohltuende Abwechslung zum bekannten Problem vieler asiatischer Filme – immer alles laut aussprechen, zweimal unterstreichen und ja sichergehen, dass auch alles verstanden wurde – andererseits, bei einem so dicht verwobenen Plot wie dem von One Last Dance, ein echtes Problem für den Zuschauer. Bahn frei für Schnitte im Blinzeltempo; für Zeitsprünge, von denen man erst gegen Ende weiß, dass sie überhaupt solche waren; für prätentiöse Symbolik und sich in den eigenen Schwanz beißende Subplots. Das 100 Minuten zu verfolgen, ist ganz schön anstrengend und wer da nach einer halben Stunde aufgibt, den kann ich verstehen.
(Zwei Generationen, zwei Legenden.)
Der große Unterschied zu anderen Filmen, die sich in ihrer eigenen Cleverness verheddern? Makowski’s Inszenierung verhindert einfach jede Spur von Trockenheit; der junge Regisseur steigert sich mit solchem Inbrunst für das Medium Film in sein erstes großes Projekt hinein, dass man ihm die Ausrutscher nicht verübeln kann. Er arbeitet mit Respekt für seine Schauspieler, lässt ihnen viel Freiraum. Man spürt seine Leidenschaft, die letzten Endes über jeden Blödel-Gag und Story-Stolperstein siegt.
One Last Dance ist trotz, vielleicht auch gerade wegen dieser Unebenheiten hundertmal mutiger, smarter und interessanter als jedes glattgestriegelte Machwerk, das in den letzten Jahren die Fließbandproduktionen Hong Kongs und Koreas verlassen hat.
(“Wie, du hast den Film nicht kapiert? Dafür musst du sterben.”)