Die Kassierer – Physik
“Ich schlage vor, dass wir jetzt ein bisschen Bumsen” – Track 14, Titel “Zitronenhai”, CD “Physik”
Und auf einmal gab es ein neues Kassierer-Album. Ist es tatsächlich schon 7 Jahre her, dass ihr letztes Meisterwerk “Männer, Bomben, Sateliten” erscheinen ist? Es kommt mir wie höchstens 3 Jahre vor, und obwohl ich die Platte in- und auswendig kenne, kommen mir die Songs erstaunlich frisch und neu vor. Kein Zweifel: “Männer, Bomben, Sateliten” war einer der großartigsten Alben der mächtigen Kassierer aus Bochum-Wattenscheid. “Ich bin faul”, “Das politische Lied” oder “Mein schöner Hodensack” haben sich zu Klassiker entwickelt. Ob der ehemalige APPD-Kanzlerkanidat und nun zur Pogo-Partei (POP) gewechselte Wolfgang “Wölfi” Wendland mit seinen Bandkollegen Nikolai Sonnenscheiße, Volker Kampfgarten und Mitch Maestro an diesen Erfolg anknüpfen können?
Hören wir doch mal rein. Eine Begrüßung durch ein “Physikalisches Intro” folgt auch gleich mit “Nieder mit der Arbeit”, welches natürlich auf die Sinnlosigkeit und Dummheit einer Anstellung anspielt (und seien wir ehrlich: Arbeit ist auch wirklich dumm). “Ich fick dich durch die ganze Wohnung” wird durch Wölfi eingeleitet und handelt auch darum, was der Titel verrät. Der darauf folgende “Drillinstructor-Song” kommt schon ein wenig komisch rüber. Nicht nur weil es eine Homage an Captain Jack darstellt, sondern weil bis dahin das Album eher prollig-schlecht rüberkommt.
Bitte nicht falsch verstehen: Die Kassierer waren schon immer prollig, und das ist auch gut so. Jedoch handelte es sich be jedem Kassierer-Album bisher um Kunst. Ich weise auf das “Kunst”-Album von 2005 hin. Von prollig-künstlerisch ist bei den ersten Songs aber nicht viel übrig. Weder was die lyrische Qualitäten angeht, noch die musikalische Präsentation. Assige Alkoholabhängige wie ich erwarten selbst hier gewisse Qualität. Sparen tu ich schon bei der Biermarke genug (Oettinger hurra!).
Jedoch reist der nächste Song (“Wenn man gut singen kann, singt man ein Lied, (…) wenn man gar nicht singen kann, singt man einen Song… wir singen Ihnen nun einen Song…” – aus “Der Song von den brennenden Zeitfragen”) einiges raus. “Ich war ein Spinner” ist bereits nach kurzer Zeit ein absoluter Ohrwurm, der mich nicht loslässt. “Ich saß im Zimmer und war ohne Grund nervös – ich war ein Spinner – doch jetzt bin ich seriös” reiht sich als Refrain auf mehrere Aussagen wie “Ich bin viel schwarzgefahren, mit Bus und Eisenbahn, heute fahr ich BMW und esse Rindsfilet, ich hab viel onaniert und war oft sehr frustiert, heute bin ich kultiviert und ficke gern zu Viert!” zu einem Ska-Essemble. Hervorragend!
“Das Lied vom Kot” reiht sich musikalisch an eher dunklere Songs wie “Meister aller Fotzen” vom letzten Album an, ist bei weiterem elektronischer und mit Orgel – und überzeugt durch die Lyrik – “…die schlimmste Substanz im Weltenall, das ist doch wohl ein klarer Fall, hat keine Form, dient keiner Norm und ihr Geruch der ist enorm – Das ist der Kot, der Kot, das ist der Kot!”. Und dann noch ein Kracher danach: “Radioaktiv!” beschäftigt sich mit dem täglichen Ablauf eines Menschen, vom Klo putzen über eine Mahlzeit am Morgen – bis dieser sich nackt auszieht, auf das Bett legt und über Radioaktivität nachdenkt. Gepaart mit der Vorstellung, Wölfi insziniere diese Szene durch seinen reizvollen Gesang, dürfte dies wohl den größten Hit der Scheibe darstellen.
Danach folgen auch noch großartige Songs wie “Schönes Universum” (“das Universum ist so schön, drum lass uns einen saufen gehen!”), “Mir ist alles piepe” oder “Verliebt in Whiskey, Bier und Wein” (was zumindest Live das beste Lied sein könnte), doch danach ist ein steiler Abstieg zu vernehmen. Trotz einem Beitrag von Mambo Kurt und einer Neu-Interpretation eines Georg-Kreisler-Lieds (“Was für ein Ticker ist ein Politiker”) kommen nicht wirklich prickelnde Songs, welche wie aus dem Kassierer-Lego-Bausatz wirken: Eine Ankündigung wie bereits häufig in zuvorigen Alben gehört, meistens zu undurchdachte Texte und Reime, die wie “auf Teufel komm raus” rüberkommen.
Fazit
Erstmal die nackte Wahrheit: “Physik” kann “Männer, Bomben, Sateliten” nicht toppen. Zu wenig Neues kommt hier ins Kassierer-Universum, die sich durchmischenden Musik-Stile und die Variationen an Musikinstrumenten sind nicht so komplex wie bei “Männer, Bomben, Sateliten” und wirken nach diesem großartigen Album auch eher abgegriffen. Auch das Album-Cover kann nichts retten, denn es ist technisch sehr simpel gestaltet und – obwohl es einen roten Faden im Album vorgibt – ist eher weniger ansprechend. Nach einigen Male des Anhören kristalisieren sich jedoch aus den 22 Tracks einige großartige Songs heraus, vorallem “Verliebt in Whisky, Bier und Wein”, “Ich war ein Spinner” und “Schönes Universum” versprechen absolute Klassiker zu werden. Bei der Bewertung habe ich mich schwer getan, schwankte zwischen 3 und 4 Penen von 5. Aber der Kassierer-Bonus machten 4 daraus, vorallem weil ich es nebenbei natürlich auch anhörte: “Ich bin verliebt in Whiskey, Bier und Wein, das läuft in großen Mengen in mich hinein, ich bin verliebt, fühl mich richtig wohl – ich bin verliebt in Alkohol!!”
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