Sparrow
(文雀 | hong kong 2008 | johnnie to)
Kei (Simon Yam) und seine Brüder (Gordon Lam, Law-Wing Cheong, Kenneth Cheung) sind Taschendiebe in Hong Kong. Dazu ist Kei aber auch noch ein ziemlich Nostalgiker, der mit dem Fahrrad durch die riesige Metropole fährt und mit seiner alten Analog-Cam S/W-Fotos macht. Dann tritt die mysteriöse wie hübsche Chung Chun Lei (Kelly Lin) in das Leben der Brüder und macht sie mit ihren Reizen auf sich aufmerksam. Natürlich hat sie dabei einen Hintergedanken.
Nach den bleischweren (ha ha) Krimi-Epen der letzten Jahre bringt Johnnie To nun also endlich den langersehnten Sparrow. Drei Jahre in der Mache – fast so lang wie PTU – das kann nur heißen, dass es sich um einen sehr persönlichen Film handeln muss. Und in der Tat möchte To mit diesem Film vor allem seine Liebe zu Hong Kong als Stadt, als Heimatort ausdrücken; ein Hong Kong, das sich aber auch rapide verändert, nicht nur im politischen, sondern auch im architektonischen Sinne. Eine Stadt im Wandel, und eine Stadt, der keiner so recht eine Geschichte, eine Kultur zuschreiben möchte.
Kei versucht mit seinen Fotos einen Ort zu verewigen, der in dieser Form vielleicht eines Tages verschwunden sein wird. Im echten Leben will Johnnie To das mit diesem Film tun. Es gelingt ihm: Er fängt ein urbanes, quirliges Hong Kong ein, in das sich die ebenso quirligen Taschendiebe leicht hineinfügen. In eleganten Bildern und jazzig-schwebender Musik nähert sich To der Nouvelle Vague an, mit sanften humoristischen Einlagen und viel Augenzwinkern. Herzerwärmend. Auch wegen des tollen Casts, bei dem die Milkyway-Haudegen Simon Yam und Gorden Lam gewohnt punkten, aber auch To-Protégé Law-Wing Cheong, eigentlich als Regisseur bekannt, überraschend positiv auffällt. Die Story ist letztlich nur eine Entschuldigung für locker verwobene Szenen, dünnes Beiwerk einer audiovisuellen Postkarte aus Hong Kong. Das heißt aber auch: Wer an dieser Stelle auch nur ein bisschen zu viel erwartet, wird definitiv enttäuscht werden. An jeder denkbaren Stelle macht To deutlich, dass Sparrow ein Film, eine Erfahrung ist – dazu gehören auch wenig glaubwürdige Plottwists und eine vor allem im späteren Verlauf immer orientierungslosere Entwicklung, bei der klar wird, dass To bloß nach Trittsteinen sucht, mit denen er auf sein großes Finale hinarbeiten kann.
Dazu kommt, dass die ungemeine Leichtfüßigkeit des Films hier und da forciert wirkt – vor allem wegen der Musik, die klasse und doch wenig zurückhaltend ist. Auf der anderen Seite darf man sich aber überlegen: Wann bekommt man einen Film wie Sparrow schon einmal aus Hong Kong? Da ist es mehr als vertretbar, dass To hier und da etwas übertreibt, denn auch das tut er immer noch in absoluter Souveränität auf seinem Feld. Der ganz große Wurf ist Sparrow dennoch nicht, ein bisschen zu zerfahren, ein bisschen zu gewollt, und wer Mad Detective schon mehr als Spielerei denn als durchdachtes Meisterwerk betrachtet hat, wird mit diesem Film genauso wenig Freude haben.
Kino pur, Milkyway au français, ein Lächeln auf dem Gesicht, ein zarter Wind, kaum da – und schon wieder weg. Alles andere ist bloß Vogelgezwitscher.