Munin, 08.10.2006
Isabella
Ich habe den Film ja schon vor einer ganzen Weile zum ersten Mal gesehen und war überwältigt. So überwältigt, dass ich nie ein vernünftiges Review schrub. Also holen wir das nun nach, nachdem ich Isabella ein zweites Mal sah…
Macau 1999, kurz vor der Übergabe zurück an China. Shing (Chapman To) lebt ein kaputtes, einsames Leben als Polizist. Seine Rolex hat er sich mit korrupten Geschäften dazuverdient, er gabelt jeden Abend Frauen in Bars und Diskos auf und hurt rum, ist seelisch längst erkaltet. Er staunt nicht schlecht, als seine neuste Fickbekanntschaft Yan (Isabella Leong) am nächsten Morgen behauptet, seine Tochter zu sein. Und tatsächlich: Shing erinnert sich, seine erste Freundin verlassen zu haben, als er erfuhr, dass sie schwanger war. Zunächst will Yan nur Geld von ihm, ihr Vermieter hat sie rausgeschmissen und ihren Hund ausgesetzt. Sie zieht kurzerhand bei ihrem Vater ein, bis sie ihren Hund wiedergefunden hat.
Die Story klingt eigentlich noch viel komplizierter, als sie eigentlich ist. Isabella ist ein Charakterdrama, ein echter Handlungsablauf ist kaum festzustellen. Was den Zuschauer die nächsten anderthalb Stunden berühren wird sind die Szenen, in denen sich Vater und Tochter näherkommen und eine unerwartete Freundschaft entsteht.
Zusammen mit den fantastisch ausgeleuchteten, opulenten Bildern der ehemaligen portugiesischen Kolonie, in Szene gesetzt von Kameramann Charlie Lam könnte man den Eindruck bekommen, dass hier jemand Wong Kar Wai zu sehr nacheifert. Tatsächlich halte ich Isabella für besser als das Meiste, was Wong Kar Wai je gemacht hat. Während der sich hinter Symbolik und Selbstgefälligkeit versteckt, macht Regisseur Ho-Cheung Pang keinen Hehl daraus, dass seine Geschichte eine ganz einfache ist. Um so beeindruckender, wie er aus dieser Simplizität etwas so Magisches schafft, das Zusammenspiel der Bilder, der Musik, der Schauspieler…Chapman To ist kein Meister seines Fachs, aber in dieser Rolle allemal besser wie als Slapstick-Dumpfbacke, als die wir ihn öfters sehen. Und Isabella Leong ist nicht nur einfach süüüß , von ihr aus gehen – zwangsläufig – die meisten Emotionen aus, und sie macht ihren Job echt gut. Auch dabei: Anthony Wong in einer seiner besten Nebenrollen als Shing’s ständig essender und redender Kollege. So geil xD Zum Brüllen.
Ebenfalls beachtlich, wie der Regisseur ganz behutsam, doch schon von Beginn an die Frage aufwirft, ob Yan vielleicht gar nicht die Tochter Shings ist. Empfinden die beiden also tatsächliche Liebe zueinander? Im Film sind mehr Details versteckt, als man erwarten würde.
Zugegeben, ich bin extrem anfällig für diese Art von opulentem Drama, das – ich zitiere hier das LoveHKFilm.com Review – seine Bedeutsamkeit ständig verkündet, anstatt sie sich tatsächlich zu verdienen. Kritiker könnten sagen, das ist der Kitsch des neuen Jahrtausends. Will heißen: Tatsächliche Tiefe hat Isabella kaum. Der Film baut eine Fassade von Melancholie und Tragweite auf, hinter der sich letztendlich eher wenig Substanz verbirgt. Es ist auch etwas schwer, die Unterschiede zu Wong Kar Wai-Filmen herauszustellen, wenn sie doch so viel mit diesem hier gemeinsam haben. Woran scheitert Wong Kar Wai, und warum funktioniert hier alles – meiner Meinung nach – so gut? Isabella strahlt irgendwie eine gewisse Wärme und Bescheidenheit aus während mir in vergleichbaren Filmen nur Distanz begegnet. Und das kann für einen kleinen sensiblen Typ (aka Emo) wie mich schon alles sein.
Noch etwas zu sagen ist zur Musik. Peter Kam hat für sie nicht umsonst auf der Berlinale 2006 den silbernen Bären eingeheimst. Mit einer Mischung aus portugiesischen Fado-Gitarren und elegischen Streicher- und Pianoflächen hat er die verfallende Schönheit Macaus auf treffende Weise eingefangen. Dieser Soundtrack gehört zu den besten aus HK, die ich kenne und man kann ihn auch gut eigenständig hören. Ich habe euch einen Track zum Reinhören hier hochgeladen (Sorry für den lamen Host, ich hätt’s bei elends Server oder so raufladen lassen, aber er ist schon sleepen nun. ~_~)
Nach dem ersten Schauen von Isabella vor ein paar Monaten war ich wie in Trance und vergab sofort 5 Penen. Jetzt, wo ich die Gelegenheit hatte auf mehr Kleinigkeiten zu achten, sind mir auch ein paar Schwächen aufgefallen, Probleme mit dem Tempo des Films, Zweideutigkeiten, etc. Darauf mag ich aber gar nicht weiter eingehen, ich will die Magie nicht zerstören. Trotzdem bin ich mir, was die Bewertung angeht, nicht mehr so sicher. Isabella ist eben wie eine Seifenblase, sie schillert in tausend Farben, entschwebt leise der Erde und ist doch so zerbrechl…ach scheiß drauf, hier sind 5 Penen. Herz siegt über Verstand. Isabella ist so geil. Bitte schaut sofort, ihr Wichser.